Do., 30.12.2010 Steinfurt Als Deutscher in Auschwitz Von Axel Roll Borghorst - Borghorst ist auf der Todesurkunde falsch geschrieben. „Borkhorst“ hat der „Standesbe-amte in Vertretung Quakernack“ am 30. November 1942 in seine Schreibmaschine gehackt. Genauso falsch ist die darunter eingetragene Todesursache. „Nierenentzündung“ steht unten auf der Urkunde. Unzweifelhaft ist hingegen der Todesort von Günter Hertz, Sohn von Moritz und Jenny Hertz. Der Gärtnerlehrling starb an der Kasernenstraße in Auschwitz. Max Sundermann hat bei seinen Recherchen im Archiv des ehemaligen Konzentrationslagers drei ge-fälschte Totenscheine von Borghorster Juden entdeckt - und konnte mit den Daten die Recherchen der Borghorster Stolpersteine-Gruppe um Josef Bergmann bestätigen. Die Nachforschungen hat der 20 Jahre alte Student nach Feierabend angestellt. Sundermann hat seinen Zivildienst in der Gedenkstätte abgeleistet. Ein Jahr lang lebte und arbeitete er in der polnischen Stadt Oswiecim, eine Klein-stadt von mittlerweile 40 000 Einwohnern. Der Zivildienstleistende betreute in der Bildungsabteilung des Zentrums für Dialog und Gebet, einer Institution der katholischen Kirche, Besuchergruppen, die nach Auschwitz gekommen waren. Sundermann arbeitete die Besichtigungsprogramme aus, leitete selbst Führungen durch Stadt und Gedenk-stätte. Ausgerechnet als Deutscher an diesem Ort zu arbeiten, das ist auch heute, 65 Jahre nach dem Ende des Nazi-Terrorregimes, etwas Besonderes, empfindet der Borghorster. „Allerdings gibt es mittlerweile viele Deutsche, die in der Gedenkstätte gearbeitet haben.“ Sundermann selbst konnte sich an die neue Umgebung anfänglich nur schwer gewöhnen. „Erst hatte ich Alpträume“, so der Zivildienstleistende. Er muss nicht lange überlegen, wenn er nach seinen eindrucksvollsten Erlebnissen gefragt wird. „Das waren die Begegnungen mit den ehemaligen Häftlingen.“ Viele kommen regelmäßig zur Gedenkstät-te, um vor den Besuchern von ihrer Haft im Konzentrationslager zu berichten. Max Sundermann: „Man denkt dann immer wieder: Das kann doch einfach nicht wahr sein.“ Der Student der Volkswirtschaft, der mittlerweile in Tübingen studiert, ist sich in der Nachbetrachtung sicher: „Das Jahr in Polen war für mich genau das Richtige. Ich habe daraus so unheimlich viel Wis-sen mitnehmen können.“ Dazu zählt auch die Sprache. Max Sundermann belegt an der Uni Polnisch. Josef Bergmann vom Arbeitskreis Stolpersteine plant mit dem jungen Borghorster schon die ersten Vortragsveranstaltungen. Darum drängt er den Studenten, das beim Zivildienst Erlebte aufzuschrei-ben. „Es darf auf keinen Fall verloren gehen.“