Der Flug ist zu anstrengend Freitag, 17. März 2006 | Quelle: Westfälische Nachrichten (Steinfurt) -gun- Borghorst. Toni Stern wäre gerne ein paar Jahre jünger, um selbst nach Borghorst kommen zu können: Auch um meine Dankbarkeit gegenüber denen auszudrücken, die sich der Stolpersteine angenommen haben. Doch der lange Flug von Amerika nach Deutschland wäre für die 87-Jährige zu anstrengend. Leider, wie die Tochter der jüdischen Familie Heimann in einem Brief schreibt, der gestern bei Dr. Heinrich Soddemann ankam. Besonders bedauern wird Toni Stern dies, wenn sie erfährt, dass nicht nur für ihre Eltern Frieda und Albert Heimann am 19. Juni Gedenksteine verlegt werden. Nach einem erneuten Kontakt mit der Koordinatorin des Projektes in Köln steht jetzt fest, dass auch an die vier Heimann-Kinder auf diese Weise erinnert wird, so die Planungen des Künstlers Gunter Demnig. Obwohl sie rechtzeitig aus Deutschland geflüchtet sind (die WN berichteten) und neben Toni Stern heute auch noch ihr älterer Bruder Wilhelm Otto, genannt Bill, lebt. Schon die Flucht, so Demnig, hat sie zu Opfern des Nazi-Regimes gemacht. Während Ottilie und Elsbeth verstorben sind, hat Bill in Johannesburg ein neues Zuhause gefunden. Dem 90-Jährigen geht es gesundheitlich nicht gut, weiß Dr. Heinrich Soddemann. Erst vor ein paar Tagen haben die beiden Freunde miteinander telefoniert. Nachdem der Bürgerinitiative die Aussage von Demnig vorliegt, auch für Juden Steine einzulassen, die in Borghorst gelebt haben und von den Nationalsozialisten verfolgt wurden, musste das bisherige Konzept noch einmal überarbeitet werden. Nicht nur bei den Heimanns hat sich die Anzahl der Steine danach erhöht. Auch vor dem Haus der Familie Philipp Eichenwald an der Alten Lindenstraße muss nach dem neuesten Stand zumindest eine weitere Gedenkplatte in den Bürgersteig eingelassen werden. Sind die Mitglieder der Bürgerinitiative bislang davon ausgegangen, dass für Mutter Rosa Eichenwald und die beiden Töchter Else und Grete, die alle drei nach Riga deportiert wurden, Stolpersteine verlegt werden. Doch aufgrund der neuesten Informationen ist auch ein Stein für Tochter Anni angedacht, die zeitweise in Frankfurt gelebt hat und 1945 für tot erklärt wurde. Vor dem Haus Münsterstraße 24 bleibt es wie gehabt. Für Salomon und Sidonie Hertz wird ebenso eine Gedenkplatte gelegt wie für ihre Tochter Lore, die nur acht Jahre alt war als sie im KZ Auschwitz ums Leben kam. Sollte Gunter Demnig in Borghorst eine Ausnahme machen und vor vier und nicht wie sonst üblich vor drei Häusern Steine verlegen, steht das Haus Nikomedesstraße 1 auf der Liste ganz oben. Während Familienoberhaupt Gustav Gumprich bereits 1932 verstorben ist und auf dem jüdischen Friedhof beigesetzt wurde, floh seine Frau Bertha vor den Nationalsozialisten. Gemeinsam mit der Familie ihres Sohnes Emil zog sie 1937 nach Münster. Zwischen 1938 und 1939 verkaufte sie ihr Haus und mehrere Grundstücke in Borghorst. Der Verkauf wurde von den Nazis als vorbereitende Maßnahme zur Verlegung des Wohnsitzes ins Ausland gewertet. Deshalb wurde ihr Konto gepfändet. Ende 1939 wanderte Bertha Gumprich über Genua nach Montevideo/Uruguay aus. Für ihren Sohn Julius, der auf der Flucht in Frankreich gefasst und deportiert wurde, wird es ebenfalls einen Stein geben.