Die Villa wollte er nie wiedersehen Samstag, 07. Mai 2005 | Quelle: Westfälische Nachrichten (Steinfurt) -gun- Borghorst. Bill Heimann hätte sich riesig gefreut, wenn er gekommen wäre. Doch für Dr. Heinrich Soddemann war der Weg nach Johannesburg einfach zu weit. In der südafrikanischen Stadt feierte Wilhelm Otto Heimann, wie er richtig heißt, gestern seinen 90. Geburtstag. Natürlich gab es für den Sohn der bekannten jüdischen Familie dazu auch Glückwünsche aus seiner Heimat Borghorst. Denn seit Ende des Zweiten Weltkrieges stehen Soddemann und seine Familie mit Bill und den zwei noch lebenden Heimann-Schwestern Otti und Toni in Kontakt. Brieflich und telefonisch. Angefangen hat die Freundschaft aber schon viel früher. Noch in Borghorst. Meine Frau war mit der jüngsten Tochter, mit Elsbeth, befreundet. Als 1935 die beiden älteren Heimann-Mädchen nicht mehr das Gymnasium besuchen durften, nahm Soddemanns Schwiegermutter, Agnes Heilmann, sie zu sich in die Schneiderlehre. Durch die Ähnlichkeit der Namen hat keiner Verdacht geschöpft, weiß Dr. Soddemann aus den Erzählungen seiner Frau Anna-Maria. So konnten sie sogar die Gesellenprüfung machen, was für Juden eigentlich gar nicht mehr erlaubt war. Bill Heimann, der als Klassenprimus das beste Abitur seines Jahrganges am Arnoldinum in Burgsteinfurt gemacht hatte, traute der politischen Entwicklung in Deutschland nicht. Soddemann: Schon auf dem Gymnasium litt er unter den Repressalien der Nazis. Doch Vater Heimann, der als Viehhändler sein Geld verdiente, wollte nicht weg. Er fühlte sich so sehr als Deutscher, dass er sich einfach nicht vorstellen konnte, ihm könnte hier etwas passieren. Schließlich, so Soddemann, pflegte Albert Heimann enge Verbindungen zu den Borghorster Fabrikanten. Doch Bill konnte die Zuversicht seines Vaters nicht teilen. Erst ging er nach Hamburg, um dort eine Banklehre zu beginnen, 1936 nahm er das Angebot seines Onkels an und folgte ihm nach Johannesburg. Während seine Schwestern ebenfalls nach Amerika und England auswanderten, blieben die Eltern Heimann in Borghorst. Als 1941 der Sammelbefehl für die Juden kam, hat Julius Heilmann, der Sattler und Polsterer war, für das Ehepaar noch Fluchtgepäck genäht. Soddemann: Meine Schwiegereltern haben zu diesem Zeitpunkt nicht im entferntesten daran gedacht, dass die Eltern von Bill umgebracht würden. Aus Riga kamen die Heimanns nicht zurück. Ende der 50er Jahre erreichte die Familie Heilmann das erste Lebenszeichen der Heimann-Töchter Otti und Toni aus den USA. Seitdem gibt es regelmäßig Anrufe oder Briefe. Bill Heimann und seine Frau waren auch viele Male zu Besuch bei Dr. Heinrich Soddemann und seiner inzwischen verstorbenen Frau: Im Gegensatz zu seiner Schwester Toni, die sich lange Zeit geweigert hat, nach Deutschland zu kommen, fiel es Bill relativ leicht, in die alte Heimat zurückzukehren. Nur die Villa Heimann, sein Elternhaus in Bahnhofsnähe, wollte er nie wiedersehen. Soddemann: Es war immer Bedingung, dass wir dort auf keinen Fall vorbeigehen.