07.05.2013 16:55 Uhr Diskussionsforum Villa Heimann Sachlichkeit überwiegt BORGHORST Die Finger bei einer kleinen Abstimmung zeigten es an: Das Diskussionsforum zum Thema Villa Hei-mann, das die katholische und evangelische Gemeinde am Montagabend boten, stand auf fruchtbarem Boden. von Steffen Maas Josef Bergmann, Vorsitzender der Initiative Stolpersteine Borghorst, berichtete von Spenden in Höhe von 54 000 Euro. Die gut 80 anwesenden Politiker, engagierten Historiker und interessierten Bürger reisten in die Marienkirche mit teils sehr unterschiedlichen Meinungen zur Diskussion um einen eventuellen Erhalt der Villa-Heimann-Fassade an. Zu einem unschönen Schlagabtausch geriet der gut 90-minütige Meinungsaustausch aber nie. Der Lokalität angemessen, legten die Debattierer ihre Standpunkte sehr sachlich dar, oft begleitet von Applaus. Villa als Erbe Die Contra-Fraktion störte sich an der Wichtigkeit, die dem Gebäude plötzlich beigemessen wird. So fragte Norbert Hageböck von der FWS: "Warum ist die Villa dann 40 Jahre lang verwahrlost?" Ein anderer bemerkte eine regelrechte Euphorie um den historischen Bau. Das sah Erich Schmellenberg anders: "Das Gebäude ist einfach ein Erbe, dem wir uns jetzt stellen müssen." Lehrer-Standtpunkt Dem schloss sich auch Mechthild Upmann, Mitglied der Initiative Stolpersteine, an: "Die Stadt Steinfurt hat natürlich etwas versäumt, das ist leider nicht mehr rückgängig zu machen. Aber wir haben jetzt die Chance, zumindest die Hülle zu erhalten." Ihrer Sichtweise, die sie als Lehrerin zusätzlich einbrachte, pflichtete Pädagogen-Kollegin Annegret Rose bei. Diskussionsforum Villa Heimann: Sachlichkeit überwiegt http://www.muensterschezeitung.de/lokales/steinfurt/Diskussion... Für die Jugendlichen sei das Thema Antisemitismus immer "ganz weit weg". Mit einem solchen Bauwerk könne man Geschichte vor Ort erklärbar machen. Geschichtsträchtiger Ort Auch der Technische Beigeordnete der Stadt Steinfurt, Reinhard Niewerth, beteiligte sich an der Diskussion, der durch drei musikalische Intermezzi ein schöner Rahmen geboten wurde. Er erinnerte zunächst an die reiche Stadt-, Kultur-, Industrie- und Sozialgeschichte, die von diesem Ort ausgehe: "Wir können nicht Schilder und Plätze umbenennen und dann ein solches Gebäude aufgeben." Er gehe bei erfolgreichem Erhalt der Fassade zudem von einer Initialzündung für das ganze Quartier aus. Kritikpunkte Niewerth versuchte zwar, die großen Kritikpunkte Kosten – "Die Gefahr einer großen Kostenexplosion sehen wir aufgrund von Festpreisen nicht" – und Funktionalität – "Beide Pläne sind funktional gleichwertig" – zu entkräften. Zweifel aber blieben. Ein Bürger stellte nüchtern fest: "So ein Gebäude sollte man erhalten, wenn man das Geld dazu hat - und das sitzt einfach nicht drin." Feuerwehrmänner Auch der zukünftige Nutzer, die Feuerwehr Steinfurt, meldete sich zu Wort - ohne jedoch Partei zu ergreifen. "Wir halten uns bewusst aus der politischen Diskussion raus, weil uns gar nicht zusteht, unsere Meinung dazu darzustellen", eröffnete Dirk Telgmann seinen Beitrag. Auch wenn der Tenor innerhalb der Wehr einen Bau ohne integrierte Villa Heimann befürworte, gehe es allein um eine funktionelle Feuerwehrwache – und die schaffe man in beide Richtungen. Telgmann im Klartext: "Wir können mit beiden Varianten leben." Einzelschicksale Dass die Diskussion zwar durchgehend sachlich, aber auch emotional angetrieben wurde, machte kurz vor Ende der Beitrag einer alten Dame deutlich, die zuvor aufmerksam gelauscht hatte. Sie berichtete von ihrem jüdischen Großvater, der während der NS-Zeit in Thüringen Selbstmord beging. Seine Frau wurde daraufhin genötigt, das selbst gebaute Haus zu einem Spottpreis an die Nationalsozialisten verkaufen. Ein Einzelschicksal, wie das der Familie Heimann. "Dass wir hier nur noch über die Fassade der Villa reden können, ist eigentlich schon traurig genug", bedauerte die Frau. Diskussionsverlängerung Ob eine erneute Abstimmung nach der Diskussion ein anderes Ergebnis als zuvor erbracht hätte, ist zweifelhaft. Sicher ist auf jeden Fall, dass die Diskussion um die Villa Heimann in Borghorst sehr gewissenhaft und sachlich geführt wird. Das bewiesen eine Vielzahl der Anwesenden auch nach der offiziellen Diskussion auf dem Platz vor der Kirche - viele suchten erneut das Gespräch. Diskussionsforum Villa Heimann: Sachlichkeit überwiegt http://www.muensterschezeitung.de/lokales/steinfurt/Diskussion...