MZ, 11.11.2006 GEDENKEN AN DIE POGROMNACHT Bitterkeit bis ins Grab Burgsteinfurt: Ein Sprechstück von Schülern zeigt die Diskriminierungen der 30er Jahre BURGSTEINFURT • Zur mahnenden Erinnerung an die Reichspogromnacht, die vom 9. auf den 10. November 1938 vom nationalso-zialistischen Terrorregime inszeniert worden war, um Leben, Eigentum und Einrichtungen von Juden zu vernichten, wurde am Donnerstagabend eine Gedenkstunde in der Kautenstege abgehalten. Eingeladen hatte, wie in jedem Jahr, die „Eine-Welt-Gruppe", diesmal in Kooperation mit der Initiative „Stolpersteine". Schüler des Gymnasium Arnoldinum führten gemeinsam mit ihrem Lehrer Karl Friedrich Herhaus ein Sprechstück auf, das sie auf der Basis eines Briefwechsels aus dem Jahre 1979 zwischen Robert Herz und Carlfried Graf von Westerholt gestalteten. Einstudiert hatten sie es unter Leitung von Annegret Rose, Lehrerin an den Wirtschaftsschulen. Robert Herz, Sohn eines Juden, besuchte einst das Arnoldinum und absolvierte dort das Abitur. Der Vortrag machte deutlich, welchen Diskriminierungen der Schüler in den 30er Jahren nach der NS Machtergreifung ausgesetzt war. So beschrieb Herz, dass er oftmals beim Betreten des Klassenzimmers, aus dem Hintergrund die Bemerkung „Zutritt nur für arische Schüler" gehört habe oder ihm kurz vor dem Abitur auf offenem Schulhof von einem Studienassessor „Man sollte Sie mit der Peitsche vom Schulhof jagen" zugerufen worden war. So veranlassten seine Erinnerungen den ehemaligen Arnoldiner, während der Korrespondenz mit dem Grafen von Westerholt zu resümieren: „Der Groll und Hass ist längst entschwunden, die Bitterkeit wird mich bis ins Grab begleiten". Musikalisch wurde die Gedenkveranstaltung von Schülern der Musikschule begleitet. Bevor sie mit einer Andacht in der Katholischen Kirche ausklang, zündeten die Teilnehmer Lichter an, die am Synagogenstandort platziert wurden. • Rainer Nix Mehr als nur ein Haus aus Stein Borghorst: Erinnerung an eine grauenhafte Nacht und ein Zeichen für Zivilcourage Borghorst • Ein aktueller Bezug ist da. Leider. Bürgermeister Andreas Hoge äußerte sich besorgt über die jüngst veröffentlichten Daten über den zunehmenden Rechtsruck in der Gesellschaft. Dennoch war die Mahnwache am Platz der ehemaligen Synagoge geprägt von ermutigenden Beispielen. „Die Bereitschaft vieler, sich für von Abschiebung bedrohte Mitmenschen einzusetzen", setze unmissverständliche Zeichen. Ein ebenso positives Signal sei die Einweihung der neuen Synagoge in München, so SPD-Ortsvereinsvorsitzender Alfred Voges. Weitere Stolpersteine Ähnlich wie der Gedenkstein zur Erinnerung an das jüdische Gotteshaus seien auch die Stolpersteine zu verstehen, sagte Josef Bergmann. Die Initiative plane für das kommende Frühjahr die Verlegung weiterer Stolpersteine in Borghorst und Burgsteinfurt. Eine weitere „besondere Form des Gedenkens" liege der Initiative am Herzen und dem Bürgermeister und dem Stadtrat als Antrag vor: ,Der Erhalt der Villa Heimann als Mahnmal, als Gedenkstätte jüdischen Lebens in der Region". Josef Bergmann war als kleiner Junge Zeuge, als be-reits am späten Nachmittag des 9. November 1938 „ir-gendwas los war" an der damaligen Bahnhofstraße: „Aus den Fenstern des Hauses Heimann flogen Bettfedern, Geräusche von klirrenden Scheiben waren zu hören." In der Nacht darauf brannte die Synagoge. Die Feuerwehr war ausgerückt, daran erinnern sich Anwohner wie Alfred Hornann. Doch deren Kommando „Wasser marsch" sei übertönt worden von einer noch lauteren Stimme: „Die Schläuche bleiben trocken." Eine besondere Grußbotschaft der in Manchester lebenden Ursula Rosenfeld, Enkelin der Familie Gumprich, verlas Hanna Reinmuth. Frau Rosenfeld war im Juni zur Stolpersteine-Verlegung für ihre Angehörigen angereist. Es sei für sie „ein großer Trost, dass es Menschen gibt, die das schreckliche Unrecht dieser Zeit anerkennen". Einen ihrer Texte gegen das Vergessen trug Angelika Scho abschließend vor. • bka „Dass meine Großeltern hier wieder zusammen sein können, das ist gut." Hanna Reinmuth (M.) zitierte eine junge Verwandte der Familie Gumprich. foto Kater