Mittendrin im jüdischen Leben Donnerstag, 05. Januar 2006 | Quelle: Westfälische Nachrichten (Steinfurt) -gun- Borghorst. Dr. Heinrich Soddemann sammelt immer ein paar Folgen, dann schickt er einen dicken Umschlag nach Silver Spring. Mit großem Interesse lese ich die Berichte über die Aktion ,Stolpersteine, schreibt Antonia Stern, geborene Heimann, in einem Brief und bedankt sich damit bei ihrem langjährigen Freund für die Post aus Deutschland: Es ist besonders erfreulich, dass nach all dieser Zeit das Interesse da ist. Den Mitgliedern der Initiative Stolpersteine möchte die in Borghorst geborene Jüdin auf diesem Weg auch Danke für das bisherige Engagement sagen. Und sie bietet ihre Hilfe an. Aus der Erinnerung schreibt die 87-Jährige auf, was sie noch über das jüdische Leben in Borghorst weiß. Entgegen anderer Quellen ist Toni Stern sicher, dass es einen Salomon Gumprich in Borghorst nicht gegeben hat: Gustav Gumprich lebte hier mit seiner Frau Berta. Er sei kein Rabbi, aber ein guter Vorbeter gewesen: Für die hohen Feiertage kam ein gelernter Lehrer oder Student, so Toni Stern. Die Gumprichs hatten wie bekannt sechs Kinder (die WN berichteten): Emil, Sophie, Julius, Erna, Albert und Trude. An der Münsterstraße lebte Abraham Eichenwald mit seiner Familie. Zusammen mit seiner Frau Clara hatte er zwei Söhne Karl und Ernst. Beide Söhne gingen in die USA. Die Eichenwalds hatten einen jüdischen Angestellten, der später deportiert wurde. Toni Stern: An den Namen kann ich mich nicht mehr besinnen. Mit im Geschäft der Eichenwalds (wo heute das Modehaus Wissing ist) war auch Abrahams Bruder Siegmund (von der Woortstraße). Seine Frau Helene starb früh, so die Heimann-Tochter. Die Kinder hießen Marga und Kurt. Marga, so weiß Toni Stern, hatte mit ihrem Mann und ihrer Tochter zuletzt den Lebensmittelpunkt in Frankfurt am Main gemeinsam mit Tante Clara. Kurt soll nach Amerika ausgewandert sein. Philipp Eichenwald, der als Viehhändler auf der Alten Lindenstraße ein Haus besaß, hatte mit seiner Frau Rosetta die Töchter Sophie, Martha, Anni, Grete und Else. Sophie soll in Hamburg gelebt haben, schreibt Toni Stern aus den USA. Martha und Anni, so erinnert sie sich weiter, waren gute Modistinnen und hatten ein Geschäft gegenüber von Jenny Hertz auf der Münsterstraße: Sie alle sind umgekommen. Zur Familie Hertz gehörten drei Kinder: Herta, verheiratete Cohn, hatte einen Sohn namens Richard. Beide wurden nach Riga deportiert. Und mit ihnen die Eltern Norbert und Jenny sowie Bruder Günther. Auf der Münsterstraße wohnte auch Moritz Löwenstein, wie Toni Stern sich erinnert: Seine Frau war Else Löwenstein, geborene Gumprich, die das Haus von ihren Eltern Jenny und Moses übernommen hatte. Else starb noch zu jung. Die beiden Kinder der Löwensteins waren Marianne und Hans. Moritz Löwenstein kam aus Horstmar nach Borghorst. Seine Frau hatte einen Bruder Alfred, der, so die Heimann-Tochter, mit einer Nicht-Jüdin verheiratet war: Sie zogen alle zusammen, und Alfreds Frau führte den Haushalt. Auch Moritz Löwensteins Bruder Bernard wohnte an der Münsterstraße. Bernard und Alfred sowie Hans Löwenstein und Julius Gumprich seien nach den Pogromen am 9. November 1938 über die Grenze nach Holland oder Belgien geflüchtet. Die Enkelin von Caroline und Abraham Löwenstein, Renate Toubartz (die WN berichteten), kennt Toni Stern nicht: Aber ich erinnere mich an die Großmutter. Und auch an Renate Toubartz Mutter, Elfriede Meyer, die Krankenschwester war und ihre Mutter in Borghorst öfter besuchte: Doch leider weiß ich so wenig über diese Familie. Sie lebte scheinbar nicht im Kreise der anderen Familien. Mit großem Interesse will Toni Stern die Nachforschungen der Initiative Stolpersteine weiterverfolgen. Dafür wird Dr. Heinrich Soddemann mit seiner Post sorgen.