Neues Kapitel des Gedenkens aufgeschlagen Mittwoch, 24. Juni 2009 | Quelle: Westfälische Nachrichten (Steinfurt) Borghorst - Diese sechs Minuten in der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938, in denen das Objektiv von Alfred Homanns Kamera auf die brennende Synagoge in Borghorst gerichtet war, das waren wahrscheinlich die gefährlichsen sechs Minuten seines bisherigen 91 Jahre währenden Lebens. „Wäre er entdeckt worden, hätte er mit der Todesstrafe rechnen müssen“, machte Annette Willebrandt gestern Morgen im Bürgersaal deutlich. Aber nicht nur für diese, wie sie es nannte „Heldentat“ bekam der Ur-Borghorster die Verdienstmedaille des Verdienstordens der Bundesrepublik von der stellvertretenden Landrätin ans Revers geheftet. Zeit seines Lebens, so wurde aus der Laudatio deutlich, hat sich der ehemalige Kaufmann für die Allgemeinheit eingesetzt.Im Alter, und da schließt sich der Kreis, gehörte er zum Kreis der Initiatoren der Initiative „Stolpersteine“. Zahlreiche dieser Messingschilder des Kölner Künstlers Gunter Demnig erinnern in der Borghorster Innenstadt an das Schicksal der deportierten Juden. Bei den intensiven Recherchearbeiten, so Annette Willebrandt, fiel besonders das erstaunliche Gedächtnis von Alfred Homann auf.Die streng katholische Erziehung, vermutete die stellvertretende Landrätin, war es wohl, die den jungen Alfred Homann gleich auf Abstand zu den Nationalsozialisten brachte. Stattdessen wandte er sich mit 18 Jahren der Kolpingsfamilie zu, die unter dem Druck des Nazi-Regimes nur im Verborgenen wirken konnte. 73 Jahre hält Alfred Homann den Kolpingbrüdern mittlerweile die Treue. Damit ist er das älteste Mitglied.Das ehrenamtliche Engagement des ehemaligen Besitzers eines Schreibwarengeschäftes an der Münsterstraße blieb aber nicht auf die Kolpingsfamilie beschränkt. Im Heimatverein führte er unter anderem 34 Jahre lang die Kasse. Dafür war ihm die Goldene Ehrennadel sicher.In der Werbegemeinschaft zählt Alfred Homann zu den wenigen Ehrenmitgliedern. Kein Wunder, schließlich zählte der Kaufmann zu den Gründungsmitgliedern im Jahr 1975. Auch dort zeichnete er für die Finanzen verantwortlich. Bis heute ist der Zeitzeuge der Judenverfolgung Gast in vielen Schulklassen, um von den damaligen Ereignissen zu berichten. „So hilft er, dass die Gräueltaten des Nazi-Regimes weiter im Bewusstsein der Menschen bleiben“, betonte Annette Willebrandt.Bei einem derartigen Einsatz für andere Menschen verwunderte es keinen der Gäste, die an der Feierstunde im Rathaus teilnahmen, dass der Rentner sich das Sprichwort „Wer rastet, der rostet“ als Leitmotiv gewäht hat. Selbstkritisch sagte der 91-Jährige, dass eine Zusammenarbeit mit ihm bestimmt nicht immer ganz einfach gewesen sei. „Ich bin hartnäckig und sehr akribisch.“ Erstaunt ist er immer wieder über das rege Interesse der Jugendlichen an seinen Erlebnissen. Die Arbeit bei den „Stolpersteinen“ bezeichnete Josef Bergmann so: „Du hast geholfen, ein neues Kapitel des Erinnerns und Gedenkens aufzuschlagen.“