Do., 04.11.2010 Steinfurt Unvergessene Schicksale Burgsteinfurt - Die Burgsteinfurter Stolperstein-Initiative verlegt am Sonntag (7. November) 16 weitere Gedenksteine in Erinnerung an die Opfer des Holocaust. Beginn ist um 11 Uhr am Schuhhaus Franke am Markt. Neben der Erinnerung an die Familien Steinmann (wir berichteten) wird in Steinfurt der Familien de Vries (An der Hohen Schule) für Felix und Johanna Simons (An der Stadtmauer 7a) und Selig Wertheim (Wasserstraße 25) gedacht. Das Geschäft von Joseph und Sarah de Vries war ein kleiner Lebensmittelladen in dem Haus, das einmal in der Schulstraße 20, heute Hohe Schule, stand. Joseph de Vries war holländischer Staatsbürger, seine Frau Sarah, geb, Michel, stammte aus Burgsteinfurt. In der siebenköpfigen Familie lebten die Kinder Sophie, Emma, Erna, Ella und Sohn Meyer. Dieser heiratete Emilie Hirsch aus Burgsteinfurt. Sie zogen nach Oberhausen, wo 1908 ihr Sohn Werner de Vries geboren wurde, der später Goldschmied lernte. Das betagte Ehepaar de Vries verließ nach dem Pogrom 1938 im November Burgsteinfurt und zog nach Renkum (NL). Dort ist Ehefrau Sarah schon 1939 gestorben. Sie wurde 1939 auf dem jüdischen Friedhof begraben. Kurze Zeit später ging auch Emma in die Niederlande, nach Geffen. Erna und Ella hatten keine Möglichkeiten mehr zu fliehen und mussten in Burgsteinfurt bleiben, von wo aus sie 1941 nach Riga deportiert wurden. Auch Emma, die mit Hermann Cohn aus Berlin verheiratet war, kam in das Todeslager nach Riga. Sophie und Vater Joseph, der noch in einem Al-tersheim in Arnheim gelebt hatte, wurden wahrscheinlich über Westerbork nach Auschwitz transportiert und dort ermordet. Am 27. Januar 1942 wurden Meyer de Vries und seine Frau von Oberhausen nach Riga deportiert, wo sie später zu Tode kamen; Sohn Werner überlebte. Felix Simons wurde 1899 in Burgsteinfurt geboren und war zwei Jahre Schüler des Arnoldinums. Anfang der 1920er Jahre lebte er in Hamm, wo er ein kleines Manufakturwarengeschäft betrieb. Mit seiner Frau Johanna hatte er drei Kinder: Fritz, Rudi und Hannelore. Während Fritz in Hamm eine Elektrikerlehre abschloss und Rudi auch noch den Schulabschluss erreichte, musste Hannelore nach nur drei Jahren die katholische Volksschule Hamm verlassen - noch vor dem Erlass, der jüdischen Schülern den Besuch deutscher Schulen verbot. Felix kam 1939 noch einmal kurz mit seiner Familie in das elterliche Haus, das sein Bruder Erich geerbt hatte, der aber rechtzeitig nach Chile ausgewandert war. Im Dezember 1941 wurde die ganze Familie aus dem Judenhaus an der Kautenstege herausgeholt und über Münster nach Riga deportiert. Als das Ghetto in Riga aufgelöst wurde, geriet Felix den ande-ren Familienmitgliedern für immer aus den Augen. Er ist also nach August 1943 im Alter von ungefähr 44 Jahren (vermutlich) n Riga ermordet worden. Johanna, Hannelore, Fritz und Rudi wurden 1943 von Riga aus nach Stutthoff verfrachtet. Dort allerdings wurden die beiden Frauen von ihren Söhnen, beziehungsweise ihren Brüdern für immer getrennt. Sie wurden dann in Stutthoff ermordet. Hannelore und Johanna überlebten auf wunderbare Weise, sie wurden von der Roten Armee in Putzig befreit. Nach einem kurzen Aufenthalt in Burgsteinfurt sind sie 1947 in die USA ausgereist, wo sie sich erfolgreich in San Diego angesiedelt haben. Hannelore heiratete den aus Hagen stammenden Helmut Marx, einen Überlebenden des Konzentrationslagers Theresienstadt. Johanna ist inzwischen in San Diego gestorben. Moses Coppel Wertheim kam 1852 von Bocholt nach Burgsteinfurt und richtete zunächst einen Lumpenhandel im Drepsenhoek ein. 1857 wurde sein Sohn Selig Wertheim geboren. Er führte eine Textilmanufakturwaren-Großhandlung an der Wasserstraße 15. Er machte sein Einjähriges auf dem Arnoldinum und schloss daran eine kaufmännische Ausbildung an. Er war ein angesehener Bürger der Stadt und Mitglied der Synagogen-Gemeinde. Außerdem hatte er den Vorsitz der Beerdigungsbruderschaft Chewrah Gemilus-Chassidim. (ein Helferdienst bei Krankheits-und Todesfällen in der Synagogengemeinde). Mit seiner Frau Bertha, geb. Stein, hatte er zwei Kinder, Else und Otto. Otto hat eben-falls auf dem Arnoldinum das Einjährige gemacht und wurde anschließend Soldat im 1. Weltkrieg. Er ist am 8. Oktober 1918 in der Champagne gefallen - mit 19 Jahren. Seine Eltern waren über den Tod ihres einzigen Sohnes in tiefster Trauer. Zu seinem Andenken bauten sie auf dem jüdischen Friedhof eine Trauerhalle für die jüdischen Beisetzungsfeiern. Bertha Wertheim starb 1937, sie liegt auf dem jüdischen Friedhof an der Ochtruper Straße. Selig Wertheim war schon 85 Jahre, als er als einer der letzten jüdischen Bürger 1942 über Münster nach Theresienstadt deportiert und dort ermordet wurde. Spendenkonto 16 02 35 57 40 bei der Volksbank Nordmünsterland (BLZ 401 637 20), Stichwort:Initiative Stolpersteine.