Wer denn, wenn nicht wir? Donnerstag, 22. März 2007 | Quelle: Westfälische Nachrichten (Horstmar/Laer) Von Sabine Niestert Laer. Professor Dr. Diethard Aschoff und Gisela Möllenhoff kennen Irmgard Ohl schon lange. Hätten die beiden Autoren diese Verbindung zur 80-jährigen Nachfahrin der Laerer Großfamilie Heimbach nicht, wäre das Buch Fünf Generationen Juden in Laer vermutlich gar nicht entstanden. Die Verfasser hatten mit der dürftigen Quellenlage zu kämpfen. Die Beseitigung aller Spuren war in Laer gründlich und perfekt, so, als ob das Dorf damals nicht zum Hitlerreich gehörte, erklärte Professor Aschoff während der Buchvorstellung im Laerer Rathaus. Anlässlich des 80. Geburtstags von Irmgard Ohl präsentierten die Herausgeber dort ihr Werk, das im LIT-Verlag Münster erschienen ist. Gastgeber der Feierstunde, an der Angehörige, Freunde und Vertreter des öffentlichen Lebens sowie die Sponsoren teilnahmen, war Bürgermeister Dr. Hans-Jürgen Schimke, der sich beim Landschaftsverband Westfalen-Lippe, dem Heimatverein Laer, der Volksbank Laer und der Sparkasse Steinfurt für die finanzielle Unterstützung bedankte. Ohne diese hätte es die Archivstudien über das Leben der Landjuden im 19. und 20. Jahrhundert und deren Untergang im Holocaust nicht gegeben. Das Buch dürfte für jeden für die Heimatgeschichte aufgeschlossenen Bürger der Stadt einiges bieten, erklärte Professor Aschoff, der die Besonderheiten des Werkes hervorhob. Dieses bringe eine ausführliche quellengestützte Darstellung der Geschichte der Juden in Laer, wie sie für eine Kommune mit so wenigen jüdischen Familien es waren in der ganzen Geschichte höchstens sieben in Westfalen kein zweites Mal vorliege. Soweit bekannt, findet sich in ganz Westfalen keine einzige derart detaillierte Familiengeschichte mehr, wie die in diesem Buch zusammengefasste Darstellung der Großfamilie Heimbach seit dem letzten Drittel des 19. Jahrhunderts, lobte Aschoff die Leistung seiner Mitautorin Gisela Möllenhoff. Diese hatte sich auf die mühsame Quellensuche mit oft nur minimalem Ergebnis begeben und zahlreiche Interviews mit Holocaustüberlebenden durchgeführt. Mit ihren persönlichen Erinnerungen hat Irmgard Ohl, die heute in Hamburg lebt, das Werk angereichert. So berichtet sie im dritten Teil des Buches über ihre Erlebnisse als Schulkind in den Tagen des Novemberpogroms 1938 und von der dreieinhalbjährigen KZ-Haft in Riga und Stutthof mit anschließendem Todesmarsch. Fünf Generationen ihrer Vorfahren haben in Laer gelebt und gewirkt. Dazu gehörten beispielsweise ihre Eltern Siegfried Heimbach und ihre Mutter Henny, geborene Wolff. Die aus Laer stammende Sippe wurde innerhalb einer Generation über alle Erdteile, von Melbourne in Australien angefangen bis nach Cuenca in Ecuador verstreut. An den Schicksalen der Angehörigen der Großfamilie wird unter anderem der unermessliche Blutzoll deutlich, den auch westmünsterländische Juden im Holocaust bringen mussten, meinte Aschoff zum unendlichen Leid, das über die jüdischen Familien gekommen war. Daran gelte es zu erinnern und die Öffentlichkeit zu mahnen. Wer denn, wenn nicht wir, appellierte auch Dr. Michael J. Rainer, das dunkle Kapitel der deutschen Geschichte nicht auszublenden oder zu vergessen. Verlage hätten die Aufgabe, Themen öffentlich zu machen, betonte der Cheflektor des LIT-Verlags, der es begrüßte, dass Irmgard Ohl mit ihrer Geschichte auch in die Schulen gegangen ist. Nur so lange die Opfer der Judenverfolgung noch lebten, könnten sie nach ihren Schicksalen befragt werden.