Bewegender Moment für zwei Frauen: Eva Leveton (r.), Enkelin von Abraham und Clara Eichenwald, trifft auf Margret WIssing. In einem Teil des Hauses, in dem heute das Modegeschäft Wissing ist, haben bis zur Gewaltherrschaft der Nationalsozialisten die Großeltern der Amerikanerin gelebt Gesten Abend erzählte die Halbjüdin im Gymnasium aus ihrem bewegten Leben. Foto. Gudrun Niewöhner Wirkliche Angst war nur einmal da Eva Leveton erzählt aus ihrem Leben Von Gudrun Niewöhner Borghorst. Nur einmal hat Eva Leveton wirklich Angst um ihr Leben gehabt. Das war 1938 in Borghorst: „Plötzlich haben Kinder mich als Judenschwein' beschimpft und Steine nach mir geworfen." Obwohl damals erst vier Jahre alt, kann sich die Tochter von Dr. Ernst und Elisabeth Eichenwald noch gut an diesen Tag erinnern. Das Mädchen war — wie so oft — zu Besuch bei ihrer jüdischen Großmut-ter Clara Eichenwald auf der Münsterstraße. Sie hat ihre aufgeregte Enkelin sofort be-ruhigt: „Und dann den Vorfall auf der Straße her-untergespielt, um mich nicht zu erschrecken." Aus ihrem schicksalhaften Leben erzähl-te die heute 72-Jährige gestern Abend auf Einladung der Ini-tiative „Stolpersteine" im Mu-siksaal des Gymnasiums. Eine zerbrechlich wirkende, aber hellwache und couragierte Frau saß dabei auf dem Podi-um. 1941 war Eva Leveton das letzte Mal in Borghorst. Kurze Zeit später ist nach Großvater Abraham auch Clara Eichenwald gestorben. Ihr Vater Ernst war seit 1939 in den USA. Dorthin wollten eigentlich auch Klein-Eva und ihre Mut-ter Elisabeth: „Doch der hol-ländische Staat hat uns abge-wiesen." So sind Elisabeth und Eva Eichenwald zurück nach Berlin, die Stadt, in der die Großeltern mütterlicher-seits lebten. „Mein Vater woll-te nicht nach Amerika." Schon gar nicht alleine. Aber sein Bruder Karl und auch Ehefrau Elisabeth haben ihn schließlich aus Deutschland „herausgeschubst", sagt seine Tochter. Die Kriegsjahre waren hart. Auch in Berlin: „Wir hatten nichts zu essen." Vom Vater erfuhr das Mädchen nur selten etwas: „Aber wir wussten, dass er lebt." Nachdem Eva Leveton nicht mehr in die Schule gehen durfte, erhielt sie heimlich Privatunterricht. Beschimpfungen hat sie in der Großstadt selbst nie erlebt: „Obwohl jeder wusste, dass meine Mutter mit einem Juden verheiratet ist." Ein großes Glück, wie sie heute empfin-det. Weil Vater Ernst seine Fa-milie endlich wieder bei sich haben wollte, setzte er alle Hebel in Bewegung: „Wir sind 1946 mit dem zweiten Schiff von Bremerhaven aus gefah-ren." Das Land hatte sich Eva Leveton allerdings anders vor-gestellt: „Ich konnte zwar eng-lisch, aber kein amerika-nisch." Und was noch schlim-mer war: Sie repräsentierte den Feind. „Am Anfang habe ich jeden Abend im Bett ge-weint." Es hat lange gedauert, bis sie in ihrer neuen Heimat angekommen war. Noch heute fühlt sich Eva Leveton nicht richtig als Arne-rikanerin. Und auch nicht als Jüdin: „Ich bin ein bisschen was von allem." Ihrer geistes-kranken Mutter hat sie, als diese noch lebte, sogar ange-boten, für einige Zeit wieder nach Deutschland zu ziehen. Doch diese wollte nicht. Die studierte Psychothera-peutin Eva Leveton weiß, wie wichtig, aber auch schwer es ist, sich schmerzhafter Gefüh-le im Leben zu erinnern: ”Wenn man nicht zurück-kehrt, bleibt immer ein Split-ter in der Seele."