Mi., 02.10.2013 Meine Meinung: Borghorst verliert – und das nicht nur einmal Borghorst hat im Vergleich zu Burgsteinfurt seinen Charme schon immer erst auf den zwei- ten Blick offenbart. Mit den jüngsten beiden stadtplanerischen Weichenstellungen hat der Rat dafür gesorgt, dass das auch so bleibt. Mit dem Beschluss des Villa-Heimann-Abrisses wird dem Stadtteil im Zusammenspiel mit der modernen Feuerwache nicht nur ein archi- tektonisches Sahnestückchen mit höchstem Seltenheitswert verwehrt. Borghorst verliert außerdem einen Zeitzeugen, der sowohl für das jüdische Leben als auch für die örtliche Geschichte der Textilindustrie sprechen kann, oder besser gesagt sprechen konnte. Geradezu schizophren: Den Erhalt der Fassade hätte die Stadt zum Nulltarif haben können. Wie der Stummel- zahn, der da demnächst gen Himmel ragt, bezahlt werden soll, weiß derzeit noch kein Mensch. In der vergangenen Woche hat das Stadtparlament mit seinem folgenschweren Votum erst den Web- saal III ausradiert, dann eine zwei Jahre geplante Bebauung in Schutt und Asche gelegt, die sowohl optisch als auch konzeptionell für diesen Standort von bestechender Stimmigkeit war. Die Pläne, bislang von den Kommunalpolitikern in den höchsten Tönen gelobt, werden dem schnöden Mammon geopfert. Dabei sind es nach dem jetzigen Stand gerade einmal 70 000 Euro, die die Stadt durch die Aufgabe der Haus-am-See-Konzeption mehr in der Kasse haben wird. So bietet der Inves- tor, der das Areal komplett dreigeschossig bebauen möchte, 600 000 Euro. Das nächsthöhere Gebot liegt bei 530 000 Euro. Dieser Interessent will sich an den gültigen Bebauungsplan halten. Mögen angesichts der knappen Kassen die Versuchungen noch so groß sein – die Ratsmehrheit hatte sich schon damit abgefunden, das Areal für den symbolischen einen Euro zu veräußern – Borghorst verliert wieder in mehrfacher Hinsicht: Einen architektonischen Hingucker unter Einbeziehung des in-dustriegeschichtlich bedeutsamen Websaals, ein sozial durchmischtes Wohnkonzept, das dem be- nachbarten Caritasverband wichtiges Entwicklungspotenzial gesichert hätte. Ach ja, und die örtlichen Handwerker schauen unter diesen Umständen ebenfalls in die Röhre. Bleibt es bei dem meistbieten-den Investor, bringt der seine eigenen Firmen mit. Und verloren haben trotz des unverhofften Geld-segens auch die Politiker: ihren Ruf, verlässlich zu sein.