WN 22.07.2005 „Das waren echte Schweinehunde” Übergriffe auf Juden wird Hedwig Cösters nie vergessen Von Gudrun Niewöhner Borghorst. Erst wollte sich Hedwig Cösters nicht melden. Doch als zum zweiten Mal ein Aufruf in den Weslfälischen Nachrichten stand, hat die 91-Jährige doch zum Hörer gegriffen und die Nummer von Alfred Homann gewählt. Schließlich weiß sie eine Menge zu erzählen, wenn es um die Zeit des Nationalsozialismus in Borghorst geht. Und mit ihren Erinnerungen will sie der Aktion Stolpersteine helfen und damit das Gedenken en die jüdischen Familien unterstützen. Die körperliche Kraft lässt bei Hedwig Cösters zwar mittlerweile ein bisschen nach, doch geistig ist die zierliche Frau, die in ihrem Elternhaus auf dem Verlau wohnt, noch fit — temperamentvoll und mutig. Ihre Mutter war für Abraham Eichenwald, der bis zur Deportation ein Textilgeschäft an der Münsterstraße (heute teilweise Modehaus Wissing) hatte, als Änderungsschneiderin tätig. „Ohne Geld dafür zu. bekommen." Bedarf für Kleidung hatte die achtköpfige Familie nämlich immer. Und so wurde die Arbeit verrechnet. „Probleme oder Unstimmigkeiten hat es nie gegeben", lässt die 91-Jährige auf Abraham und Sarah Eichenwald nichts kommen: „Sie haben uns immer gut behandelt. Nicht aus dem Kof gehen wollen ihr die Ereignisse vom 9, November 1936. „Wir waren beim Schlachten und hatten den letzten Topf gerade aufgesetzt." Selbst Details weiß Hedwig Cösters noch. Da sei plötzlich jemand vorbeigekommen und und habe ganz aufgeregt berichtet: „Bei den Juden im Dorf schmeißen sie alles kaputt" Beunruhigt machte sich Hedwig Cösters mit ihrer Mutter auf den Weg — als sie mit dem Spülen fertig waren, „Meine Mutter wollte unbedingt in den Laden der Eichenwalds." Dann habe sie aber doch auf die Warnungen der anderen gehört. Hedwig Cösters selbst hat gesehen, wer mit Steinen und Knüppeln die Schaufenster der jüdischen Geschäfte eingeworfen. hat: „Dabei waren auch Borghorster in braunen Uniformen." Die Gesichter hat die 91-Jährige noch vor Augen. Die Namen könnte sie nennen Ein Nachbar hatte ihre Mutter schon früh gewarnt, die Arbeit für Abraham. Eichenwald doch aufzugeben: „Es wird zu deinem Nutzen sein." Aber sie habe nicht reagiert. „Weil sie das alles nicht verstehen konnte.." Als ihr späterer Mann am Morgen des 10. Novembers 1938 durchs Dorf ging und die abgebrannte Synagoge sah, erhielt er auf die Frage, wie das denn passiert sei, eine knappe Antwort: „Da hat bestimmt ein Jude seine dicke Zigarre verloren." Was wirklich geschehen war, erfuhren sie erst später. Auch die anderen jüdischen. Familien im Ort die Gumprichs, die Heimanns, die Hertz', kannte Hedwig Cösters natürlich. Sigmund Eichenwald erschien schon kurz nach der Machtergreifung Hitlers auf dem Verlau und war überzeugt: "jetzt geht es uns ans Leben." Glauben wollte das damals keiner, Bis die Juden von heute auf morgen aus der Stadt verschwunden waren. „Wir wussten zwar, dass es Konzentrationslager gab." Was sich dort aber wirklich ereignete, das ahnte Hedwig Gösters zu dem Zeitpunkt nicht mal. Niemals vergessen wird sie den Anblick des toten Fall-chirmspringers, der am 10. Oktober 1943 im Bereich der heutigen Hollicher Straße lag. Ein Borghorster in brauner Uniform habe einen vorbeikommenden Bauern aufgefordert, den Alliierten mit einer Forke auf den Anhänger zu laden und abzutransportieren. „Das war ein echter Schweinehund", wird Hedwig Cösters noch heute wütend, wenn sie an diese Situation denkt. Und fügt gleich hinzu; „Es ist schon gut, dass wir den Krieg verloren haben." Weitere Zeitzeugen, die sich an die Ereignisse erinnern und Auskunft geben können oder Dokumente sowie Fotos haben, können sich an Josef Bergmann (Telefon 20 24) wenden.