WN, 23.09.2005 Ein letzter Blick von der Ladefläche 77-Jährige erlebt als Kind die Deportation der Juden -gun- Borghorst. Das Bild lässt sie nicht los. Seit 64 Jahren hat die heute 77-Jährige es immer wieder vor Augen. „Die beiden Mädchen haben die Plane zur Seite geschoben und mich angeschaut." Wohin der Lastwagen mit den Kindern fuhr, davon hatte die Borghorsterin, die namentlich nicht genannt werden möchte, damals keine Ahnung: „Von den Konzentrationslagern haben wir wirklich nichts gewusst." An besagtem Tag im Jahr 1941 war sie gerade 13 Jahre alt: „Ich fuhr mit dem Fahrrad von der Kettelerstraße in die Stadt." In Höhe des Tuchladens von Bendix Hertz an der Münsterstraße stand ein Transporter: „Der ganze Verkehr wurde aufgehalten." Auch das Mädchen musste mit seinem Rad stoppen: „Und dann sah ich, wie die zwei Mädchen aus dem Haus der Hertz' gingen." Begleitet, so erinnert sich die ehemalige Näherin, wurden sie von Männern. Ob die beiden auch Juden oder aber Nationalsozialisten waren, das weiß sie nicht. „Als Kind habe ich das alles nicht weiter hinterfragt." Erst als sie später erfuhr. dass die Juden im KZ umgebracht worden waren „Da war mir plötzlich klar, was ich an jenem Tag durch Zufall miterlebt habe." Das Verhältnis ihrer Eltern zu den jüdischen Familien war unbefangen. „Wir haben vor allem Stoffe bei ihnen gekauft " So wie die meisten an-deren Borghorster auch. „Die Juden haben uns nie etwas getan." Das Zusammenleben sei ganz selbstverständlich gewesen. Damit er wusste, was in der Welt passiert, kaufte sich ihr Vater im Krieg ein Radio: „Unter der Decke hat er heimlich die Nachrichten der Tommies gehört," Den Brand der Synagoge an der Lechtestraße hat sie am 9. November 1938 mit eigenen Augen beobachtet: „Auf dem Weg habe ich gesehen, wie Männer in SA-Uniformen bei Bendix Hertz die Stoffballen aus dem Fenster warfen." Über die Münsterstraße ist das Mädchen weiter zur Synagoge: "Als ich da war, stürzte der Dachstuhl ein." Ein Bild von vielen, das sie selbst als 77-Jährige nicht vergessen hat.