Ich war ein begeisterter Hitlerjunge Dienstag, 07. März 2006 | Quelle: Westfälische Nachrichten (Steinfurt) -gun- Borghorst. Du sollst leben. Diese drei Worte seiner Mutter haben das Leben von Sally Perel bestimmt: Sie waren wie ein Gebot für mich. Und auch wie eine innere Stimme, die ihm immer wieder Mut gemacht habe zu kämpfen. So wurde aus Salomon Perel 1941 der Hitlerjunge Jupp. Über seine ständige Angst, von den Nationalsozialisten entdeckt zu werden, berichtete Sally Perel gestern Abend im Foyer des Gymnasiums. Neben den Wirtschaftsschulen, der VHS und dem Städtischen Gymnasium hatte auch die Aktion Stolpersteine den inzwischen 81-jährigen Zeitzeugen eingeladen. Die HJ-Uniform war für Sally Perel nicht bloß eine Verkleidung: Ich war ein begeisterter Hitlerjunge, gab er gestern offen zu. Selbst an den Endsieg der Deutschen habe er geglaubt. Die Frage, ob er als Jude mit Heil Hitler grüßen dürfe, habe ich mir nie gestellt. Wenn in der Braunschweiger HJ-Schule, in die Perel seit 1941 ging, die Vernichtung der Juden thematisiert wurde, dann habe ich schon inneren Widerstand gespürt. Doch sein Drang, überleben zu wollen, sei größer gewesen. Allerdings, das stellte Perel auch klar, habe er von Auschwitz und den anderen Konzentrationslagern nichts gewusst: Davon habe ich erst nach dem Krieg erfahren. Der Zeitgeist der Nationalsozialisten habe ihn als 16-Jährigen fasziniert, so Perel. Wenn man die Propaganda jeden Tag in der Schule eingetrichtert bekommt, fangt man irgendwann an, daran zu glauben. Seinen ehemaligen Freunden aus der Hitlerjugend, mit denen sich der 81-Jährige noch immer regelmäßig trifft, kann er deshalb auch nicht böse sein: Zumal bei ihnen auch noch die Eltern dahinter standen. Um dem Nazi-Ghetto in Lodz zu entfliehen, entschlossen sich Sally Perel und sein älterer Bruder Isaak nach Bekanntwerden der Nürnberger Rassengesetze 1935, die Eltern allein zu lassen und nach Russland zu gehen. Ein tränenreicher Abschied. Es fällt ihm schwer, daran zu denken: Denn allen war klar, wir werden uns nie wiedersehen. So war es auch. Obwohl Perel, der heute in Israel lebt, noch einen Weihnachtsurlaub Anfang der 40er Jahre nutzte, um in HJ-Uniform nach Lodz zurückzukehren. Seine Mutter, so glaubt er, habe er da noch einmal gesehen. Sicher ist sich Sally Perel nicht. An seine Zuhörer, vor allem an die jüngeren, hatte der 81-Jährige am Ende eine Bitte: Hört uns, die letzten Zeitzeugen, an. Und nehmt das Erzählte als Auftrag, als Appell, das so etwas wie der Holocaust nie wieder passiert. Er beendete seinen Vortrag, wie er ihn begann: Schalom Friede.