Stolpersteine sind in die Bürgersteige eingelassene Steine, die mit einer 10 × 10 cm großen Messingplatte versehen sind, auf der die persönlichen Daten der Opfer, die von den Nationalsozialisten verfolgt wurden, eingraviert sind. Dabei handelt es sich mehrheitlich um jüdische Bürgerinnen und Bürger, aber auch um Menschen anderer Religionszugehörigkeit und anderer Herkunft. Der Kölner Künstler Gunter Demnig (*1947) verlegt diese Steine vor dem letzten Wohnhaus oder der letzten Wirkungsstätte dieser Menschen bzw. ihrer Familien.
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Einen ersten mit einer Messingplatte versehenen und beschrifteten Stein hat Demnig 1992 am 50. Jahrestag des Befehls von Heinrich Himmler zur Deportation der so genannten „Zigeuner“ in Köln verlegt. Danach hat er die Idee weiter verfolgt und zunächst ohne kommunale Genehmigung mehrere Stolpersteine in seiner Vaterstadt Berlin verlegt. Inzwischen liegen mehr als 30.000 Stolpersteine an etwa 750 Orten in zehn Ländern Europas, die meisten davon in Deutschland.
Es gibt Stimmen, die sagen, bei den Stolpersteinen gehe es nicht um Erinnerungsarbeit, um Mitleiden, um das Wissen, dass jeder Stein für die Existenz eines verfolgten, eines ermordeten Menschen steht, sondern es gehe vielmehr um die Pflege fragwürdiger Betroffenheitsmentalität, die zur Zeit „in“ sei. Charlotte Knobloch, ehemalige Präsidentin des Zentralrats der Juden in Deutschland, die die Shoah, „die große Katastrophe“, noch selbst miterlebt hat, ist eine entschiedene Gegnerin der Stolpersteine. In einem Interview hat sie einmal gesagt:
„Jeder Fußtritt, der auf einen Namen kommt, tut mir weh. Ich habe als Kind oft sehen müssen, wie Menschen mit Füßen getreten wurden.“
Man hat den Häftlingen in den Konzentrationslagern ihre Namen genommen und ihnen eine Nummer eintätowiert. Die Stolpersteine geben ihnen ihre Namen zurück und lassen sie so nicht in Vergessenheit geraten. Gunter Demnig will, dass man über die Steine „stolpert“, sie sollen „mitten im Weg liegen“, man soll stehen bleiben, stutzen, lesen, sich dabei vorbeugen und so symbolisch vor den Namen verbeugen.
Auch Burgsteinfurt war vor der NS-Zeit ein Zentrum jüdischen Lebens im westlichen Münsterland. Aber wer in Burgsteinfurt weiß heute noch etwas über die ehemaligen jüdischen Bürger? In welchen Häusern sie gewohnt haben, wie sie hießen, welchen Beruf sie hatten, wohin sie geflohen sind, wo sie ermordet wurden? Wer weiß noch, dass Hermann Emanuel Kantor der Synagogengemeinde, zugleich Lehrer der jüdischen Volksschule und Mitgründer der heutigen Wirtschaftsschulen war? Wer kennt noch die Namen Steinmann, de Vries, Wertheim, Michel, Hirsch, Simons, Cohen, Löwenstein, Meyer … ? Sie sind gewissermaßen durch die Gehirnwäsche der NS-Propaganda und die Verdrängungsmechanismen der Nachkriegsgeneration auch aus dem Gedächtnis der heute Lebenden verbannt worden.
Der amerikanische Autor John Katzenbach schreibt im Nachwort seines Buches „Der Täter“:
„Wahrlich deformiert von den Untaten anderer Generationen sind […] nur diejenigen, die sich der Wahrheit verschließen und nicht den Versuch unternehmen, das Geschehene zu begreifen.“
Die Verlegung der Stolpersteine bedeutet auch, dass die Hintergründe, die Daten und die Biographien der Menschen recherchiert werden. Manchmal ergeben sich Kontakte zu Überlebenden oder deren Nachkommen. Manche kommen nach Deutschland, um die Verlegung der Stolpersteine für ihre Verwandten mitzuerleben. Zur Stolpersteinverlegung von Hermann Emanuel kamen seine Enkelin Ruth Mazaki und sein Urenkel Daniel. Sie hielt eine bewegende Rede über ihren Großvater. Auch zur Verlegung der Stolpersteine für Henny, Ruth und Renata kam sie mit ihren Söhnen und der Schwiegertochter nach Burgsteinfurt. Sie wünschte sich besonders von den jungen Leuten, dass sie alles daran setzen, eine friedliche Botschaft in die Welt hinaus zu tragen: „Möge so etwas nie wieder geschehen!“ Zur Familie Wyman aus Illinois, Verwandten der Familie Max und Hedwig Hirsch aus der Rottstraße, besteht seit ihrem Besuch in Burgsteinfurt ein herzlicher Kontakt.
So wurden Verbindungen geknüpft und manchmal Freundschaften geschlossen, das beste Mittel, um Frieden miteinander zu finden.
Die Dokumentation unserer bisherigen Nachforschungen ist keine wissenschaftliche Arbeit. Sie erhebt nicht den Anspruch auf Vollständigkeit, denn naturgemäß konnten nicht alle Daten erhoben werden. Es soll aber an die Opfer erinnert werden, so dass sie auch in Burgsteinfurt ihre Namen wiederbekommen.