Alter Eisenbahntunnel Lengerich
Der Eisenbahntunnel als Verkehrsweg
Zwischen 1869 und 1871 wurde die 765 Meter lange Tunnelröhre als Verbindung zwischen Münster, Osnabrück und Hamburg gebaut. Ziel war eine schnelle Verbindung zwischen dem Ruhrgebiet und den deutschen Seehäfen.
Eng verbunden mit dem Eisenbahnbau war der industrielle Aufschwung der Stadt Lengerich, vor allem durch die Kalk- und Zementindustrie. Am 1. September 1871 wurde der Tunnel von der Köln-Mindener Eisenbahn eingeweiht.
1928 erfolgte parallel zum alten Tunnel auf der westlichen Seite die Fertigstellung einer neuen Röhre, die eine viergleisige Durchfahrt ermöglichen sollte.
Infolge der Weltwirtschaftskrise Anfang der 30er Jahre wurde auf die Viergleisigkeit verzichtet und der alte Tunnel geschlossen.
Der Alte Tunnel als Zufluchtsort
Von 1941 – 1944 und in den letzten Kriegstagen Ende März 1945 nutzte die Lengericher Bevölkerung den alten Eisenbahntunnel als Zufluchtsort vor den Bombenangriffen.
Als die britischen Verbände der 6th Airborne Division am 2. April 1945 Lengerich erreichten, hatten sich ca. 2.000 – 3.000 Lengericher dorthin zurückgezogen.
Zwischenzeitlich war auch eine Krankenhaus-Station in dem Tunnel untergebracht.
Der Alte Tunnel als Geheimlager „Rebhuhn“
Zwischen März 1944 und Ende März 1945 wurde der Tunnel im Zuge der kriegsbedingten Untertage-Verlagerung der Produktion von Kriegswaffen als KZ-Außenlager von Neuengamme genutzt.
200 KZ-Häftlinge aus Neuengamme stellten hier Tragflächenprofile für Jagdbomber der Luftwaffe her. In einem Zweischichtsystem wurde Tag und Nacht gearbeitet. Die Häftlinge, vor allem Russen, Polen, Franzosen, einige Deutsche, Belgier und Niederländer, waren im Saal der ca. 1,5 km entfernten Gaststätte Brunsmann, heute Centralhof, untergebracht. Seit 1996 erinnert dort eine Gedenktafel mit einem Zitat des Internationalen Mahnmals der KZ-Gedenkstätte Neuengamme an ihr Schicksal:
„Euer Leiden, Euer Kampf und Euer Tod sollen nicht vergebens sein !“ 1) Das gleiche Zitat findet sich auf dem 2020 errichten X-Orte Mahnmal oberhalb des Tunneleingangs ...weiter lesen
19 Häftlinge kamen zu Tode, mindestens 14 davon wurden hingerichtet. [Todesliste s.u.]
Am 14. März 1945 wurden die Häftlinge auf den „Todesmarsch“ Richtung Neuengamme geschickt. 2)Norbert Ortgies, Ursula Wilm-Chemnitz: Tage im Tunnel, Das KZ-Außenlager A1 Lengerich 1944 – ...weiter lesen
Der Alte Eisenbahntunnel als Erinnerungsort
- 1986: Eine Initiativgruppe Lengericher Bürger*innen beantragt die Errichtung einer Gedenktafel.
- 1988: Ein Geschichtskurs des Graf-Adolf-Gymnasiums Tecklenburg beschäftigt sich mit der KZ-Geschichte des alten Tunnels.
- 27.01.1996: Zum Holocaust-Gedenktag wird eine Gedenktafel an der ehemaligen Unterkunft der Gaststätte Brunsmann angebracht.
- 1999: Der frühere Häftling Robert Botte kommt auf Einladung der Initiativgruppe nach Lengerich.
- 2011/2012: Im Rahmen der „Expedition Münsterland“ befassen sich das Historische Seminar der WWU Münster und der Geschichtsort Villa ten Hompel mit dem alten Eisenbahntunnel und fassen die Ergebnisse als Wanderausstellung zusammen.
- 2015: Der Alte Tunnel wird unter Denkmalschutz gestellt.
- 27.01.2020: Zum Holocaust-Gedenktag wird eine Erinnerungstafel sowie ein Mahnmal am Wanderweg oberhalb des Tunneleingangs auf Antrag des Heimatvereins Lengerich und der Offensive Lengerich e.V. errichtet.
Die Toten des KZ-Außenlagers Lengerich 3) zit. nach: Gedenkstätte Neuengamme, URL: ...weiter lesen
Józef Badyński
*07.09.1919 in Boguszyce, Kreis Nieszawa, Polen
Todesdatum: 23.04.1944
Beschäftigung: Fabrikarbeiter
Häftlingsnummer: 25977
Christiaan Beekink
*11.03.1917 in Utrecht, Niederlande
Todesdatum: 13.03.1945
Oswald Breitenbach
*09.04.1924 in Obersetzen, Deutschland
Todesdatum: 01.04.1944
Beschäftigung: Hilfsarbeiter
Häftlingsnummer: 27760
Paul Brzeski
*01.03.1913 in Matern, Deutschland
Todesdatum: 06.06.1944
Beschäftigung:
Häftlingsnummer: 01292
Hans Golinsky
*06.10.1895 in Flensburg, Deutschland
Todesdatum: 26.03.1944
Beschäftigung: Fabrikarbeiter
Häftlingsnummer: 27684
Aleksandr Jurtschenko
*16.02.1925 in Dedowo, Bezirk Smolensk, Sowjetunion (Russland)
Todesdatum: 19.04.1944
Beschäftigung: Schweißerlehrling
Häftlingsnummer: 25979
Jakob Kisin
*29.01.1911 in Rostow, Sowjetunion (Russland)
Todesdatum: 29.06.1944
Beschäftigung: Arbeiter
Häftlingsnummer: 27704
Sergej Owsjanikow
*18.12.1919 in Alfjorowo, Kreis Smolensk, Sowjetunion (Russland)
Todesdatum: 06.06.1944
Häftlingsnummer: 10022
Friedrich Wilhelm Radtke
*07.08.1915 in Duisburg, Deutschland
Todesdatum: 16.06.1944
Beschäftigung: Bauarbeiter
Häftlingsnummer: 02270
Dmitrij Rudanow
*08.11.1922 in Kljuschtschi, Sowjetunion (Russland)
Todesdatum: 17.04.1944
Beschäftigung: Buchhalter
Häftlingsnummer: 27661
Theodor Tepass
*02.04.1907 in Wesel, Deutschland
Todesdatum: 16.06.1944
Beschäftigung: Bergmann
Häftlingsnummer: 13840
Ausschnittskarte Lengerich
Geopositionen:
- Gedenktafel Centralhof N52° 10′ 44.8″ E7° 52′ 28.1″
- Mahnmal X-Ort N52° 11′ 17.0″ E7° 52′ 20.8″
- Informationstafel N52° 10′ 59.8″ E7° 52′ 12.3″
- Eingang Tunnel N52° 11′ 16.7″ E7° 52′ 18.3″
- Cultureapp N52° 11′ 21.8″ E7° 52′ 30.8″
Weblinks
- KZ-Gedenkstätte Neuengamme
- Amicale de Neuengamme
- WWU Münster/AFO
- Geschichtsort Villa ten Hompel Münster:
„Alter Tunnel Lengerich“ als ausleihbare Ausstellung - Cultureapp Lengerich
Filme
Fußnoten
1. | ↑ | Das gleiche Zitat findet sich auf dem 2020 errichten X-Orte Mahnmal oberhalb des Tunneleingangs auf dem dem Wanderweg 2. |
2. | ↑ | Norbert Ortgies, Ursula Wilm-Chemnitz: Tage im Tunnel, Das KZ-Außenlager A1 Lengerich 1944 – 1945, Osnabrück/Tecklenburg 2001, Books on Demand GmbH ISBN: 3-8311-2413-2
Jan-Erik Schulte, Untertage- und Rüstungsverlagerungen, Die Neuengamme-Außenlager Lengerich und Porta Westfalica, in: ders., Konzentrationslager in Rheinland und Westfalen 1933-1945, Zentrale Steuerung und lokale Initiative, Paderborn 2005, S. 131-146 |
3. | ↑ | zit. nach: Gedenkstätte Neuengamme, URL: https://www.kz-gedenkstaette-neuengamme.de/geschichte/totenbuch/die-toten-1940-1945/ abgerufen am 2.3.2020 |