Zwangsarbeit

16/01/2025 at 17:07

Unter Zwangsarbeit im Nationalsozialismus versteht man insbesondere die Verschleppung und Ausbeutung von über 13 Millionen ausländischen KZ-Häftlingen, Kriegsgefangenen und „zivilen“ Arbeitskräften in Deutschland. Zwangsarbeit gab es auch in Ghettos, Arbeitserziehungslagern und anderen Lagern im gesamten besetzten Europa und betraf insgesamt etwa zwanzig Millionen Menschen. Deutsche Jüdinnen und Juden und deutsche Häftlinge leisteten ebenfalls Zwangsarbeit. Daneben herrschte in vielen besetzten Ländern ein allgemeiner Arbeitszwang für die Zivilbevölkerung.

Die „Zwangsarbeiter“ und „Zwangsarbeiterinnen“ waren sowohl vom gesellschaftlichen als auch öffentlichen Leben ausgeschlossen, so war ihnen z. B. der geschlechtliche Kontakt mit deutschen Frauen bei Todesstrafe verboten.

„Zwangsarbeiter“ und „Zwangsarbeiterinnen“ wurden vereinfacht in fünf Gruppen unterteilt, welche je nach Herkunft und Status sehr unterschiedlich behandelt wurden:

1. Fremdarbeiter: Umgangssprachliche Bezeichnung für „zivile“ Zwangsarbeiter im Nationalsozialismus. Der Begriff „Fremdarbeiter“ verschleiert den Zwang als Grundlage des Arbeitseinsatzes. Selbst die ursprünglich freiwillig, d. h. oftmals aus wirtschaftlicher Not nach Deutschland gekommenen „Fremdarbeiter“ durften später ihren Arbeitsplatz nicht mehr verlassen. Der in den Quellen nur selten verwendete Begriff „Fremdarbeiter“ fand nach 1945 Verbreitung, um den nationalsozialistischen Ausländereinsatz von der Beschäftigung der „Gastarbeiter“ in der Bundesrepublik zu unterscheiden.

2. Fremdvölkische: Nationalsozialistische Bezeichnung für Menschen, die nicht „germanischer Abstammung“ waren und nicht zur „Volksgemeinschaft“ zählten. Als „fremdvölkisch“ galten alle Ausländerinnen und Ausländer, die nicht aus „germanischen“ Ländern wie den Niederlanden oder Skandinavien kamen. Als „rassisch minderwertig“ wurden insbesondere Slawinnen und Slawen angesehen. Ganz unten in der NS-Rassenhierarchie standen Jüdinnen und Juden, Sinti und Roma sowie nicht-weiße Personen; sie galten als „fremdvölkisch“, auch wenn sie Deutsche waren.

3. Sklavenarbeiter
Heutige Bezeichnung für völlig rechtlose Arbeitskräfte, v. a. für die Häftlinge von Konzentrationslagern. Der Begriff „Sklavenarbeiter“ wurde als einer der Hauptanklagepunkte in den Nürnberger Prozessen für alle zur Arbeit ins Reich Verschleppten verwendet. In den Entschädigungsverhandlungen der 1990er Jahre bezeichnete er dagegen nur die Gruppe der KZ-Häftlinge, die für die SS, für private oder staatliche Unternehmen arbeiten mussten und extrem ausgebeutet wurden („Vernichtung durch Arbeit“). Der mit diesem Begriff verbundene Vergleich der NS-Zwangsarbeit mit der Sklaverei in anderen Epochen ist umstritten, u.a. weil die SS im Unterschied zu anderen Sklavenhaltern kaum am Überleben ihrer „Sklavenarbeiter“ interessiert war.

4. Zivilarbeiter
Heutige Bezeichnung für „Zwangsarbeiter“ und „Zwangsarbeiterinnen“, die keine Kriegsgefangenen oder KZ-Häftlinge waren. Im Sommer 1944 gab es im Deutschen Reich rund 5,7 Millionen ausländische Zivilarbeiterinnen und Zivilarbeiter. Sie wurden von privaten Firmen, Behörden, Bauern oder Familien beschäftigt, untergebracht und überwacht. Kriegsgefangene und Militärinternierte dagegen unterstanden der Wehrmacht, Häftlinge der SS oder der Gestapo.

5. Ostarbeiter
Nationalsozialistische Bezeichnung für Zivilarbeiter aus den ab dem 22. Juni 1941 besetzten Gebieten der Sowjetunion. Nach der anfänglichen Anwerbung von Freiwilligen folgte sehr bald die gewaltsame Verschleppung von 2,1 Millionen sowjetischen Frauen und Männern nach Deutschland. „Ostarbeiterinnen“ und „Ostarbeiter“ mussten das diskriminierende „OST“-Abzeichen tragen, wurden meistens in besonderen Lagern untergebracht und weitaus schlechter behandelt als Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter aus anderen Ländern. Nach der Befreiung wurden viele von ihnen in der Sowjetunion wegen angeblicher Kollaboration diskriminiert oder verfolgt. Menschen aus Polen zählten nicht zu den “Ostarbeitern“, wurden aber ebenfalls besonders schlecht behandelt.

Nach 1945: Viele Jahrzehnte lang mussten ehemalige Zwangsarbeiter:innen auf Entschädigungszahlungen warten. Da die meisten keine deutschen Staatsbürger gewesen waren, waren sie nicht anspruchsberechtigt.

In den Jahren bis zur Wiedervereinigung zahlte die Bundesrepublik Deutschland lediglich Entschädigungszahlungen an einzelne Staaten. Im Jahr 1990 wurden noch einmal Globalabkommen mit Polen, Belarus, Ukraine und Russland beschlossen.

Die meisten ehemaligen Zwangsarbeiter:innen aus diesen Ländern erhielten zwischen 2001 und 2007 einmalige Zahlungen zwischen 500 und 7.700 Euro.

Da die Anträge, um diese Zahlungen zu erhalten, jedoch viel zu langwierig waren, erlebten die wenigsten Überlebenden die Auszahlungen.

Die Zwangsarbeiter:innen, die ins Münsterland verschleppt worden waren, lebten in kleinen Lagern in der Nähe der Betriebe. So arbeiteten zum Beispiel in der Landwirtschaft rund um Münster: In der Gemeinde Roxel 318 Zivilarbeiter:innen und Kriegsgefangene in 88 landwirtschaftlichen Betrieben. In der Gemeinde Nienberge 145 Zivilarbeiter:innen und Kriegsgefangene in 61 landwirtschaftlichen Betrieben. In der Gemeinde Albachten 119 Zivilarbeiter:innen und Kriegsgefangene in 34 landwirtschaftlichen Betrieben.