Dokumentation Burgsteinfurt

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Familie Isidor Meyer, Bahnhofstraße 21

Isidor Meyer (*1862) war Viehhändler in Burgsteinfurt. Er war verheiratet mit der drei Jahre älteren Adele, geb. Michel. Adele starb im Februar 1923.Das Ehepaar hatte mindestens fünf Söhne: Julius (*1887), Benjamin (*1889), Max (*1890), Sally (*1893) und Siegfried (*1895).

Zwei der Söhne starben in jungen Jahren im Ersten Weltkrieg: Sally erlag am 22. November 1915 im Lazarett Schirmeck (derzeit Reichsland Elsaß-Lothringen) den Folgen einer Verwundung, die er tags zuvor bei Les Collins (Frankreich) erlitten hatte. Sein vier Jahre älterer Bruder Benjamin wurde am 13. August 1917 vor Verdun durch ein Artillerie-Geschoss verschüttet.

Max zog 1925 zunächst nach Münster und kurze Zeit später nach Bockhorst bei Bad Rothenfelde. Er überlebte wie sein Bruder Julius das Nazi-Regime und war 1961 in New York gemeldet.

Julius Meyer, der Viehhandel und im Nebenerwerb Landwirtschaft betrieb, wanderte mit seiner Familie im Jahre 1939 nach Chile aus (s. bei Kurt Meyer). Um die Auswanderung zu finanzieren, musste das Haus in der Bahnhofstraße 9 verkauft werden.

Siegfried wurde – vermutlich im Zuge der T-4-Aktion – im September 1940 aus der Landesheil- und Pflegeanstalt Wittekindshof in die Landesheils- und Pflegeanstalt Wunstorf/Brandenburg verlegt und wenig später von dort vermutlich in ein Vernichtungslager in Polen, wo er ermordet wurde.

Isidor Meyer fand in der Zeit der Verfolgung zunächst Unterschlupf im Haus der Familie Max Hirsch, Rottstraße 14, das er etwa ein Jahr später verließ, um – vermutlich – bei Bekannten oder Verwandten zuerst in Bockhorst, später in Versmold eine Bleibe zu finden. Vergeblich, denn schon einen Monat später meldete er sich wieder nach Burgsteinfurt, Rottstraße 14, zurück.

Zum Zeitpunkt der Deportationen der letzten jüdischen Bürger aus Burgsteinfurt im Jahre 1942 war die Familie Max Hirsch (s. dort) in dem „Judenhaus“ Bütkamp 23 der Geschwister Sally, Berta und Ida Michel (s. dort) eingepfercht worden und der inzwischen 79jährige Isidor Meyer zusammen mit weiteren Schicksalsgenossen in dem „Judenhaus“ Schulstraße 20, dem ehemaligen Wohnhaus der Familie de Vries (s. dort).

Von hier aus wurde Isidor Meyer zusammen mit den letzten jüdischen Bürgerinnen und Bürgern aus Burgsteinfurt am 27. Juli 1942 von Burgsteinfurt via Münster in das KZ Theresienstadt deportiert.

Die anderen sechs Deportierten waren: der Kantor und Lehrer der Synagogengemeinde Hermann Emanuel (s. dort), das Ehepaar Hermann und Franziska Michel, geb. Meier (s. dort), Selig Wertheim (s. dort) sowie die Witwe Emilie Gottschalk (*1880 in Hamburg), die 1932 von Osnabrück nach Burgsteinfurt gezogen und mittlerweile von den Geschwistern de Vries gepflegt worden war; schließlich die erst Anfang April 1942 von

Münster nach Burgsteinfurt verfrachtete Hedwig Feibes, geb. Cohn (*1895). Hedwig Feibes wurde am 23. Januar 1943 von Theresienstadt in das KZ/Vernichtungslager Auschwitz weiter transportiert, wo sie noch im selben Monat ermordet wurde.