Dokumentation Lengerich

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Familie Kaufmann

Haus Kaufmann Bahnhofstraße 17, undatiert, Slg. Fotohaus Kiepker

Haus Kaufmann Bahnhofstraße 17, undatiert, Slg. Fotohaus Kiepker

Leonore Kaufmann wurde am 13. Dezember 1902 in Lengerich geboren; ihre Eltern waren der jüdische Viehhändler Salomon Kaufmann (9.5.1868 – 14.11.1935) und seine ebenfalls jüdische Ehefrau Selma, geb. Koppel (23.3.1880 – 8.8.1927).

Über ihre Kindheit und Jugend ist wenig bekannt; sicher ist, dass sie Jura studierte, u.a. in Münster1)Ihr Studium in Münster ist für das Sommersemester 1924 und das Sommersemester 1927 belegt. Nach dem Studium arbeitete sie als Gerichtsreferendarin und wohnte in Stuttgart, Freiburg, Werther und zuletzt in Berlin-Charlottenburg, von wo sie am 7. März 1938 nach Lengerich zurückkehrte. Doch psychische Probleme führten dazu, dass sie im Mai 1938 in die Heil- und Pflegeanstalt nach Düsseldorf-Grafenberg ging.

Nach ihrer Entlassung im Herbst 1938 hielt sie sich kurz in Lengerich auf, bevor sie zu ihrem Bruder Richard nach Saarbrücken zog. Ihre psychischen Probleme machten dann aber erneut einen stationären Aufenthalt erforderlich, diesmal in der jüdischen Heil- und Pflegeanstalt in Bendorf-Sayn bei Koblenz. Im März 1939 musste sie das elterliche Grundstück in Lengerich verkaufen – der Erlös landete auf einem Sperrkonto. Als im Oktober 1939 auf dem Dachboden ihres ehemals elterlichen Hauses ein defektes Rundfunkgerät entdeckt wurde, konfiszierte man das Gerät – der damalige Bürgermeister Steinriede bezeichnete dessen Besitzerin kurzerhand als „geisteskrank“.

Von Bendorf-Sayn wurde sie am 15. Juni 1942 nach Koblenz gebracht und zusammen mit vielen anderen psychisch Kranken aus ihrer Einrichtung über Köln in den „Osten“ deportiert, vermutlich nach Izbica2)Izbica war nur ein Durchgangslager. Sie gilt als verschollen und der genaue Tag ihrer Ermordung ist nicht bekannt.

Ihr jüngerer Bruder Richard wurde am 30. Juni 1904 ebenfalls in Lengerich geboren. Nach dem Besuch der Volksschule Lengerich (1910 – 1914) ging er zum Gymnasium in Osnabrück, wo er 1923 das Abitur ablegte. Anschließend absolvierte er in Hamburg eine kaufmännische Lehre in einem Sportgeschäft und arbeitete dort als Angestellter, bevor er 1926 das Jura-Studium in Münster aufnahm.

Er bestand sein erstes Staatsexamen und war danach Referendar am Landgericht Münster; nach seiner Promotion in Erlangen im Jahre 1931 arbeitete er als Gerichtsassessor in Hamburg und Halle, bevor er am 1. November 1935 nach Saarbrücken zog. Dort wurde er nach der Reichspogromnacht in Schutzhaft genommen und am 15. November 1938 in das KZ Dachau transportiert.

Einige Wochen später, am 19. Dezember 1938, starb er in Prittlbach, einem Außenlager des Konzentrationslagers, wo die Gefangenen in der ‚Plantage‘ arbeiten mussten, einer großen Kräutergartenanlage. Auf dem neuen jüdischen Friedhof in Saarbrücken wurde nach 1945 durch die jüdische Gemeinde ein Grabstein für ihn errichtet; vermutlich hatte seine Schwester Leonore dies vor ihrem Tod noch veranlasst. Ob sein Leichnam auch nach Saarbrücken überführt worden ist, lässt sich heute nicht mehr feststellen.

Zusammenstellung: Bernd Hammerschmidt

Fußnoten   [ + ]

1. Ihr Studium in Münster ist für das Sommersemester 1924 und das Sommersemester 1927 belegt
2. Izbica war nur ein Durchgangslager