Dokumentation Lengerich

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Familie Gutmann

Kaufhaus Phillip Gutmann in Hohne, Slg. Erich Gutmann, undat., 2.v.r.: Minna Gutmann

Kaufhaus Phillip Gutmann in Hohne, Slg. Erich Gutmann, undat., 2.v.r.: Minna Gutmann

Philipp Gutmann (*2.4.1873) aus Ochtendung (Kreis Mayen-Koblenz) heiratete am 24. Februar 1903 in Brenken (Kreis Büren) die von dort stammende Minna Steinberg (*8.7.1878). Kurze Zeit später eröffneten die beiden ein Textil-Kaufhaus in Lengerich-Hohne an der Lienener Straße 33.
Gut ein Jahr später (am 19.6.1904) wurde ihr einziger Sohn, Erich, geboren.

1911 war Philipp Gutmann ein Mitbegründer des TV Hohne und bis 1918 auch erster Vorsitzender des Vereins.
Ab 1933 mehrten sich die Anfeindungen und Schikanen durch die Nationalsozialisten und die Familie machte Pläne für eine Flucht in die USA.
Aber 1938 war Philipp zu krank, um die lange Reise anzutreten. Er ging nach Frankfurt in das „Gumpertz’sche Siechenhaus“, ein Altenheim am Danziger Platz 15, wo er am 15. Dezember 1938 verstarb. Seine Frau Minna war bereits am 22. April 1937 in Münster gestorben.

Sohn Erich besuchte nach Volks- und Rektoratsschule eine Handelsschule in Osnabrück. Anschließend absolvierte er in Osnabrück und Meschede eine Ausbildung als kaufmännischer Angestellter und trat 1927 als Prokurist in die elterliche Firma ein.1) LAV NRW Westfalen, Akte Reg-Bez. Münster, Entschädigungsbehörde, Reg.-Nr. 10409, Erklärung ...weiter lesen

Erich Gutmann 1991

Erich Gutmann 1991, Slg. Doris Vietmeier

Boykott und Demütigungen

Nach der Machtübernahme und den Boykottaufrufen durch die Nationalsozialisten verschlechterte sich die Situation für die Familie rapide.
Beschämender Höhepunkt war der 17. August 1935, als Erich als „Rasseschänder“ durch die Stadt getrieben und anschließend in „Schutzhaft“ genommen wurde. Die Vorwürfe erwiesen sich als unbegründet.

Flucht in die USA

Danach machten er und seine schwangere Frau Hedwig, geb. Grünberg (*3.6.1909), die er am 24. August 1934 in Osnabrück geheiratet hatte, Pläne für eine Flucht in die USA. Ihre Tochter Liesel wurde am 10. Dezember 1935 geboren. Es dauerte allerdings bis zum Herbst 1938, bis Erich von Antwerpen nach New York reisen und bei seinem Schwager Leo Grünberg unterkommen konnte. Hedwig und Liesel Gutmann konnten am 29. Oktober 1938 via Rotterdam folgen.
In den USA wurde 1941 die zweite Tochter, Helen, geboren.
In wenigen Jahren gelang es Erich Gutmann, ein neues Geschäft aufzubauen.

Einweihung Erich-Gutmann-Weg, WN 20.6.1994

Einweihung Erich-Gutmann-Weg, WN 20.6.1994

Versöhnung

Seit den 1960er Jahren bis zu seinem Tod am 11. April 1997 kam Erich regelmäßig nach Lengerich, wo er sich immer wieder für Versöhnung einsetzte. Seine Frau Hedwig hingegen reiste nicht wieder nach Deutschland. Sie starb am 2. August 1989.
Die ältere Tochter Liesel weigerte sich zeitlebens deutsche Waren zu kaufen und hat auf Drängen ihres Vaters nur ein einziges Mal mit ihm Deutschland besucht. Sie studierte an der Universität in Philadelphia und arbeitete später dort als Medizintechnikerin. Die Mutter von zwei Kindern starb am 3. Januar 2017 in Philadelphia.

Helene Grünberg

Nach dem Tod von Minna Gutmann (1937, s.o.) kam Erichs Schwiegermutter Helene Grünberg (*30.9.1882) nach Lengerich, um die junge Familie zu unterstützen. Auch sie wollte in die USA fliehen und beantragte ein Visum beim amerikanischen Konsulat. Sie hatte allerdings eine so hohe Wartenummer bekommen, dass sie erst für den 10. November 1939 bei der Ausländerbehörde in Amsterdam einbestellt wurde.
Doch wenige Tage vorher, am 25. Oktober 1939, starb sie im niederländischen Exil.

Fußnoten   [ + ]

1. LAV NRW Westfalen, Akte Reg-Bez. Münster, Entschädigungsbehörde, Reg.-Nr. 10409, Erklärung Erich Gutmann v. 15.4.1958, zit n. Bernd Hammerschmidt: Erich Gutmann – Zurück in die Heimat, BoD Norderstedt 2024, ISBN: 978-3-7583-7368-8